Herbst ist bei uns, wenn ich anfange, Apfel-Zimt-Kuchen zu backen, Zwetschgen einzumachen und Suppen zu kochen. Denn wenn’s draussen kalt ist, gibt es für mich nichts Gemütlicheres, als mit einem dampfenden Topf voller lecker duftender Köstlichkeiten und Freunden oder Familie am Esstisch zu sitzen.
Eine Suppe ist für mich so eine Art Ur-Essen. Sie ersetzt das Lagerfeuer, um das wir uns vor vielen Generationen versammelt haben, und das wir alle heute noch und vielleicht gerade deshalb so romantisch finden. Ausserdem verbindet es, wenn alle aus einem Topf essen. Man rückt irgendwie näher zusammen, bleibt länger sitzen und hat sich mehr zu erzählen. Wenn’s schmeckt jedenfalls. Aber das war nicht immer so.
Früher hatte die Suppe für mich den Nimbus einer pädagogischen Unterweisung – durchexerziert am Beispiel der für mich ganz und gar grausligen Erbsen-Mehlsuppe meiner Grossmutter. Wenn ich die nicht aufass, durfte ich nicht vom Tisch. Weil’s aber nicht schmeckte, ass ich nicht. Das bedeutete: ich musste jeweils ziemlich lange sitzen bleiben – hin- und hergerissen zwischen Trotz, einem Würgen im Hals und dem verlangten Gehorsam. Da half auch die ach so bedrohliche Story vom Suppenkasper nicht, die Opa uns ständig unter die Nase rieb. Die durchschaute ich schon als Kind.
Am dritten Tag, o weh und ach!
Wie ist der Kaspar dünn und schwach!
Doch als die Suppe kam herein,
gleich fing er wieder an zu schrein:
»Ich esse keine Suppe! Nein!
Ich esse meine Suppe nicht!
Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!«
Am vierten Tage endlich gar
der Kaspar wie ein Fädchen war.
Er wog vielleicht ein halbes Lot –
Und war am fünften Tage tot.
Dass man so schnell und wegen eines bisschen Suppe nicht gleicht umkommt, war mir damals schon klar. Eher stirbst doch Du, Grossvater, dachte ich mir.
Mein Bruder hingegen ging von der Verteidigung stets direkt in den Angriff über. Weil er wusste, dass unser Grossvater keinen Käse mochte, sagte er: „Ich ess‘ die Suppe schon. Aber nur, wenn Du auch ein Stück Käse isst!“ Dafür kassierte er regelmässig eine Backpfeife. Und ich, weil ich’s so lustig fand, gleich mit.
Da hatten’s meine Kinder doch einfacher. Denen las ich immer das Bilderbuch Nein! Tomaten ess ich nicht! von Charlie und seiner kleinen Schwester Pia vor. In dieser Geschichte musste Charlie Pia manchmal Essen machen, was nicht ganz einfach war, weil Pia weder Erbsen noch Karotten, weder Kartoffeln noch Pilze, weder Spaghetti, Eier oder Würstchen, weder Orangen noch Äpfel und schon gar keine Tomaten ass. Aber anstatt seine bockige Schwester zu tadeln oder unter Druck zu setzen, blieb Charlie stets ganz ruhig, kramte kurz in seiner Märchenkiste und verkündete dann voller grossbrüderlicher Überzeugung: „Was erzählst Du denn, Pia? Das sind doch überhaupt keine Erbsen. Das sind grüne Drops aus Grünstadt!“
Die Karotten waren natürlich auch keine Karotten, sondern orangefarbene Lakritzstangen vom Jupiter. Und das Kartoffelpüree war Wolkenflaum von der obersten Spitze des Fudschijamas. Und natürlich wurde Pia ob der fantasievollen Ausführungen neugierig und ass am Ende alles auf. Und meine Jungs fanden’s lustig und machten es den beiden Buchfiguren beim Essen nach. Vielleicht essen sie heute deshalb so gerne Suppe, am liebsten solche aus Kürbis. Denn die war früher gar keine Kürbissuppe. Sondern flüssiges Orange direkt vom Regenbogen, prima nach einer riesigen Portion Glück schmeckend.
Andere Lieblingssuppen aus meiner Küche
Andere Lieblingssuppen aus meiner Küche habe ich an dieser Stelle bereits vorgestellt. Die Detox-Suppe zum Beispiel. Oder Oma’s Hühnersuppe. Das Rezept zur „falschen“ Chicken Wonton Suppe hingegen kennen wir noch nicht so lange. Es stammt aus dem neuesten Kochbuch It’s All Easy: Delicious Weekday Recipes for the Super-Busy Home Cook von Gwyneth Paltrow.
Wonton oder Wan Tan sind Teigtaschen aus der chinesischen Küche mit einer Füllung aus Fleisch. Weil es aber ziemlich (zeit)aufwändig ist, diese Teigtaschen einzeln von Hand herzustellen, hat die smarte Frau Paltrow das Original-Rezept einfach in seine Einzelteile zerlegt. Anstatt die Füllung also in den Teig zu wickeln, serviert sie diese „nackt“ in Form von Fleischbällchen. Die Teigblätter hingegen werden wie Omeletten-Streifen geschnitten und dazu in die Suppe gelegt. Wenn man beides zusammen auf einem Löffel in die Mund schiebt, hat man im Gaumen die gleiche geschmackliche Sensation, als hätte man Original-Wontons gegessen.
Diese Suppe aktiviert die Abwehrkräfte und feuert den Stoffwechsel an
Als meine Jungs fragten, was es zum Essen gäbe, antwortete ich: „Umgekehrte Ravioli.“ Weil sie sich darunter nichts vorstellten konnten, ergänzte ich: „Sowas Ähnliches wie Ikea-Köttbullar. Einfach in Suppe, statt in Sauce.“ Damit war die Argwohn überlistet und das Menu samt grüner Beilagen gegessen, was mich besonders deshalb freute, weil dieses Gericht natürlich wie (fast) alle meine Rezepte einen äusserst positiven Effekt auf die Gesundheit hat.
Die Basis der Suppe besteht aus Hühnerbrühe, die – frisch gekocht oder in ebensolcher Qualität gekauft – eine nachweislich heilsame Wirkung auf unser Immunsystem hat: Forscher der Universität Nebraska konnten belegen, dass Inhaltsstoffe in der Hühnersuppe Krankheitserreger blockieren, die Entzündungen und Schwellungen der Schleimhäute auslösen können. Nicht umsonst hat Oma früher Hühnersuppe gekocht, wenn jemand krank war.
Die asiatischen Extras geben der Suppe ausserdem einen zusätzlichen Kick. Ingwer aktiviert ebenfalls die Abwehrkräfte und feuert den Stoffwechsel an. Pak Choi enthält viel Kalium, Carotin, Kalzium, Vitamin C, B-Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, denen eine antibiotische, also keimtötende und reinigende Wirkung nachgesagt wird. Und der in Chilischoten enthaltene Scharfstoff regt die Magensaftsekretion und die Darmtätigkeit an.
Meinem Grosspapa hätte das bestimmt auch geschmeckt.
Rezept Chicken Wonton Suppe (für 4 Personen)
- 2 l Hühnerbrühe
- 2 grosse Schalotten, grob gehackt
- 2 Knoblauchzehen, zerdrückt
- 1 kleines Stück Ingwer, in Scheibchen geschnitten
- 1 EL Meersalz
Zutaten für die Fleischbällchen
- 500 g Poulet (ohne Knochen) von glücklichen Hühnern, gehackt
- 4 Schalotten, klein gehackt
- 2 grosszügige Esslöffel frischer Koriander, klein gehackt
- 1-2 rote Chilies, klein gehackt (kann man auch weglassen)
- 1 TL geröstetes Sesamöl
- 4 TL Tamari (oder Sojasauce)
- 1/2 TL Meersalz
- etwas schwarzer Pfeffer
Beilagen
- 4 -6 Stück Baby Pak Choi, geviertelt
- 250 g Knackerbsen oder Kefen
- 1/2 Pack Wonton Teigblätter (gibts im Asia- oder im Feinkostladen), in dünne Streifen geschnitten
Für die Suppe Hühnerbrühe, Schalotten, Knoblauch, Ingwer und Salz in einem grossen Topf oder Dutch Oven aufkochen. Die Hitze reduzieren und auf kleiner Flamme köcheln lassen, damit sich der Geschmack der Gewürze sanft entfalten kann.
Für die Fleischbällchen alle oben genannten Inhaltsstoffe in eine mittelgrosse Schüssel geben und gut vermischen und zu kleinen Fleischbällchen formen. Das funktioniert am besten mit benetzten Händen, dann klebt’s nicht so. Es ist bei diesem Vorgang sowie generell im Umgang mit rohem Hühnerfleisch extrem wichtig, ganz penibel auf die Hygiene zu achten. Arbeitsflächen, Messer, Schüsseln und Finger stets gut waschen, bevor man andere Gegenstände anfasst. Das Hühnchenfleisch kann man sich übrigens entweder vom Metzger durch den Wolf drehen lassen, oder Zuhause in mehrere Portionen verteilt mit einer einigermassen leistungsstarken Küchenmaschine selbst klein häckseln. Die Fleischbällchen auf einem mit Backpapier belegten Blech bereit stellen.
Zurück zur Suppe: Mit einem Sieb oder einer löchrigen Schöpfkelle die Geschmacksgeber aus der Suppe holen. Die Suppe noch mal kurz zum Kochen bringen. Die Fleischbällchen vorsichtig ins Wasser gleiten lassen und die Temperatur sofort (!) zurückschalten. Etwa 3-4 Minuten ziehen lassen. Dann die Knackerbsen und nach weiteren 3-4 Minuten den Pak Choi hinzugeben.
Gleichmässig in vier Suppenteller verteilen. Die Wonton-Streifen dazu geben und sofort geniessen.
Tip: Wer die Suppe glutenfrei geniessen möchte, lässt einfach die Wonton-Streifen weg.