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Knuspriges Holzofenbrot

Nicht alles war früher besser, aber die Brote ganz bestimmt. Ich erinnere mich noch, wie sich so ein Grahambrot in meiner Kindheit mehrere Tage im Brotsack hielt, ohne steinhart zu werden – allenfalls schmeckte es irgendwann nicht mehr so frisch oder fing an zu schimmeln. Dies kann den Backwaren von heute nicht mehr passieren: Es gibt Leute, die im Test ein Brioche 10 Jahre lang auf einer Fensterbank aufbewahren konnten, ohne dass es anfing, sich in irgendeiner Form zu zersetzen – es war noch genauso weich wie am ersten Tag und auch nicht von Ungeziefer befallen.

Schon Mehlen werden zu Verarbeitungszwecken chemische Stoffe zugesetzt

Das ist nicht nur gruselig, sondern eine logische Konsequenz dessen, womit die meisten Bäcker heutzutage arbeiten: Sie backen ihre Brote längst nicht mehr nur aus Mehl, Sauerteig und Wasser, sondern versetzen diese mit Backenzymen, Verdickungsmitteln, Emulgatoren, Stabilisatoren und Säuerungsmitteln, um Schimmel zu verhindern und die Backeigenschaften zu optimieren. Schon den Mehlen werden chemische Stoffe zugesetzt, damit der Teig später besser verarbeitet werden kann und beim Backen gleichmässigere Ergebnisse erzielt werden.

Helmut Gragger, traditioneller Bäcker aus dem Salzburger Land, erzählt im Buch Zukunftsmenü: Warum wir die Welt nur mit Genuss retten können: „Früher machte ein normaler Ortsbäcker noch zweitausend Semmeln am Tag, die Maschine machte auf einmal 5000 in der Stunde. Dann hat der Bäcker sich Supermärkte gesucht und diese beliefert. Nur musste man für den Erhalt der Maschinen andere Teige machen, und so hat sich die Brotlandschaft komplett verwandelt. Der Bedarf wuchs, und es entstand eine ganze Industrie an Fertigmischungen für Bäcker.“

Die Wahrheit über die aufgebackenen Brote von der Tankstelle

Längst sind fast alle Handwerksbäckereien entweder in die Filialnetze grosser Bäckereien eingegliedert oder eingegangen. Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks stirbt jeden Tag ein Bäckereibetrieb. In der Schweiz nimmt die Zahl der Betriebe ebenso rapide ab. Dafür bietet inzwischen fast jede Tankstelle oder Lebensmittel-Filiale frisch aufgebackenes, maschinell erzeugtes Fertigbrot an. Mit dem Duft oder Geschmack eines von Hand gefertigten Holzofenbrotes ohne Zucker und Lebensmittel-Nichtzusatzstoffe wie Schaumbremser, Antiklumpmittel oder Entfärber haben solche Erzeugnisse kaum etwas gemein. Jammerschade, dass die meisten Menschen sich dessen nicht einmal gewahr sind, weil sie gar nichts anderes kennen. Dazu kommt, dass sehr stark verarbeitete Getreideprodukte längst zum Grundnahrungsmittel geworden sind und oft zu jeder Mahlzeit in grossen Mengen verzehrt werden.

Warum viele Menschen eigentlich keinen Weizen vertragen

Der durchschnittliche Deutsche vertilgt pro Jahr 80 kg Weizenmehl, 94% aller Deutschen essen täglich Brot. Damit ist raffiniertes Mehl die Kalorienquelle Nr. 1, obwohl Getreideprodukte, auch solche aus Vollkorn, für den Darm als schädlich zu bezeichnen sind – unabhängig davon, ob der Mensch eine Gluten-Intoleranz hat oder nicht. Getreide gehört erst seit wenigen tausend Jahren überhaupt zur Ernährung des Menschen. Diese Zeitspanne genügte dem Darm nicht, sich an die neue Art Lebensmittel zu gewöhnen. Da die meisten Menschen die im Weizen enthaltenen Gluten aufgrund von fehlenden Enzymen nicht vollständig verwerten und unverdaute Substanzen (Peptide) im Darm zurückbleiben, kann es insbesondere im Dünndarm zu chronischen Entzündungen und Folgeschäden, z.Bsp. in Form einer durchlässigen Darmwand kommen (Leaky-Gut-Syndrom). Die unverdauten Peptide können nun ungehindert in die Blutbahn eindringen und provozieren dort unerwünschte Reaktionen, die u.a. zu Autoimmunkrankheiten, Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Aufstossen, Völlegefühl oder chronischen Bauchschmerzen / Entzündungen führen.

Auch Vollkornbrote lassen den Blutzuckerspiegel rapide ansteigen

Zudem hat Getreideweizen, auch solcher aus Vollkorn, einen extrem hohen glykämischen Index: Eine im „American Journal of Clinical Nutrition“ veröffentlichte Forschungsarbeit ergab, dass der Verzehr von zwei Scheiben Weizenvollkornbrot den menschlichen Blutzuckerspiegel stärker und schneller ansteigen lässt als der Genuss einer Dose Limonade, eines Schokoriegels oder sechs Teelöffel reinen Zuckers. Kaum zu glauben, aber dazu kommt auch noch, dass genau solche Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index auch das Risiko erhöhen, an Diabetes, Herzkrankheiten, Alzheimer, Krebs oder einer Fettleber zu erkranken.

Ur-Dinkel – die verträglichere und besser verdauliche Form von Getreide

Zweifelsohne bedeutet dies nicht, dass wir alle nun gar kein Brot mehr essen dürfen. Hingegen sollten wir uns sehr wohl Gedanken darüber machen, welche Form und Menge von Brot auf unseren Esstisch kommt. Relativ ursprüngliche Getreidearten wie Hirse oder Dinkel vertragen wir ihm Rahmen einer naturbelassenen Ernährung (noch) relativ gut. Vor allem der Ur-Dinkel liegt mit seinem hohen Anteil an komplexen Kohlenhydraten, ungesättigten Fettsäuren und Nahrungsfasern seit einigen Jahren bei Gourmets, Spitzenköchen und innovativen Bäckern im Trend. Als Ur-Dinkel sind nur alte, nicht mit Weizen gekreuzte Sorten zugelassen, die ausschliesslich auf anerkannten Betrieben (in der Schweiz IP-SUISSE und BIO SUISSE) angebaut werden dürfen. Ur-Dinkel-Getreide enthält zwar auch Gluten, aber in einer besser verdaulichen Form. Es besticht durch einen leicht nussartigen Geschmack und hat vielseitige kulinarische Eigenschaften.

Ur-Dinkel-Schrot-Brot www.galupasvoice.com/holzofenbrotNach einem Blick auf die Produktinformationen verschiedener im Handel erhältlicher Backwaren – ein frisches Weggli von Coop oder Migros z.Bsp enthält 14-15 (!!!) Zutaten inkl. Zucker, E 472e und E300 – habe ich beschlossen, unser Brot künftig selber zu backen. Ich habe bei der Steinmühle Thommen diverse Ur-Dinkel-Mehlsorten und Schrot bestellt und daraus bereits eine ganze Reihe verschiedener Brot-Rezepte ausprobiert. Ur-Dinkel-Mehl aus nicht mit Weizen gekreuzigten Sorten wie Ebners Rotkorn, Franckenkorn, Oberkulmer Rotkorn, Schwabenspelz und Zollernspelz gibt es auch bei der Migros-Tochter Alnatura. 

Genial: Ein „Holzofenbrot“ aus dem Römertopf

Das Rezept für dieses geniale und genial einfach herzustellende Holzofenbrot habe ich im kulinarischen Internet-Tagebuch meines Freundes Marco Nierlich gefunden, der wiederum liess sich vom Blog esskultur.at inspirieren. Es handelt sich um ein Brot, das ursprünglich in der New York Times als „No knead bread“ (das Brot, dessen Teig man nicht kneten muss) gehypt wurde und für das lediglich vier Zutaten (Mehl, Hefe, Salz, Wasser), ein bisschen Zeit und Geduld benötigt werden. Ich nenne es Holzofenbrot, weil es genauso gut schmeckt wie ein Brot, das aus dem Holzofen kommt. Weil wir Zuhause aber nur den Backofen zur Verfügung haben, tricksen wir ein bisschen, in dem  wir die Hitze des Holzofens mit einem Römertopf oder Bräter simulieren. Am besten schmeckt das Brot noch lauwarm mit etwas Olivenöl oder Butter und einem Glas Wein. Man kann es aber auch problemlos ein paar Tage aufbewahren und zum Frühstück mit Marmelade oder Käse geniessen.

Rezept knuspriges Holzofenbrot:

  • 435 g Ur-Dinkel-Mehl (ich habe Ruchmehl verwendet, mit Weiss- oder Halbweiss-Mehl backt es sich jedoch leichter)
  • 1 EL Meersalz
  • 1/2 TL Bio-Trockenhefe
  • 300-350 ml lauwarmes Leitungswasser (mit wenig Chlor) oder Filterwasser (je nach verwendeter Mehlsorte, das erfordert ein bisschen Fingerspitzengefühl)
  • 1 Bräter oder Römertopf (ca 24 cm Durchmesser)
  • Backpapier

Zubereitung:

Knuspriges Holzofenbrot www.galupasvoice.com/holzofenbrotDas Ur-Dinkel-Mehl in einer Teigschüssel mit dem Salz und der Hefe gut vermengen. Vier Fünftel des Wassers dazu schütten und mit der Hand oder mit Hilfe eines Teigschabers oder Löffels gut vermischen, aber nicht kneten. Wenn der Teig jetzt noch eher trocken und krümelig ist, den Rest des Wassers einarbeiten. Hat er eine nicht klebrige, aber feuchte Konsistenz, benötigt man den Rest des Wassers nicht. Nun die Teigschüssel mit Frischhaltefolie luftdicht abdecken und 18 Stunden bei Zimmertemperatur ruhen lassen.

Knuspriges Holzofenbrot www.galupasvoice.com/holzofenbrotEs empfiehlt sich, den Teig abends anzusetzen, dann kann er über Nacht gären und aufgehen und ist am frühen Nachmittag des nächsten Tages bereit für den nächsten Schritt. Nach 18 Stunden haben sich an der Oberfläche des Teigs viele kleine Bläschen gebildet. Wenn dem nicht so ist, war entweder die Hefe alt, oder der Teig ist noch nicht ganz so weit. Dann sollte man ihm noch ein bisschen mehr Zeit geben.

Knuspriges Holzofenbrot www.galupasvoice.com/holzofenbrotNun ein grosses Stück Backpapier sehr grosszügig mit Mehl bestreuen und den Teig mit Hilfe eines Teigschabers auf die bemehlte Fläche bugsieren. Den Teig mithilfe des Backpapiers von allen vier Seiten falten, resp. einschlagen: zunächst von links, dann von rechts, schliesslich von oben und von unten. 15 Minuten ruhen lassen. Nach 15 Minuten ein weiteres gut bemehltes Backpapier in ein Brotkörbchen oder ein flache Schüssel legen und den Teig mit bemehlten Händen umgekehrt auf das Backpapier in das Brotkörbchen legen (mit den gefalteten Nahtstellen nach unten). Das Ganze wiederum mit Frischhaltefolie zudecken und nochmals mindestens zwei Stunden lang gehen lassen.

Knuspriges Holzofenbrot www.galupasvoice.com/holzofenbrotZirka eine halbe Stunde vor Ende der letzten Gehzeit den Backofen auf 250° Ober- und Unterhitze vorheizen, den Römertopf mit einem dritten Backpapier auskleiden und mit Deckel in den Ofen stellen. Der Römertopf muss zusammen mit dem Ofen brennend heiss werden, sonst funktioniert das „Mikrofen-Prinzip“ nicht. Vorsicht wer einen Bräter verwendet: Unbedingt Plastikgriffe oder Deckelknopf aus Kunststoff abschrauben! Nach Erreichen der erwünschten Hitze und Temperatur zwei Untersetzer bereit stellen. Den Römertopf aus dem Ofen nehmen und auf einen Untersetzer stellen. Die Ofentür sofort wieder schliessen und den Deckel auf den anderen Untersetzer legen.

Knuspriges Holzofenbrot www.galupasvoice.com/holzofenbrotNun vorsichtig und möglichst rasch den Brotteig in den Römertopf (auf das Backpapier) bugsieren und zwar erneut umgekehrt, so dass die Faltnaht jetzt wieder oben ist. Deckel drauf und ab in den Ofen. Bei unverminderter Hitze 30 Minuten mit geschlossenem Deckel backen, dabei auf keinen Fall den Deckel lupfen, damit kein Dampf entweicht, denn dieser ist essentiell für die Kruste.

Knuspriges Holzofenbrot www.galupasvoice.com/holzofenbrotNach 30 Minuten den Deckel vorsichtig abheben und das Brot noch ca 15 Minuten ohne Deckel zu Ende backen. Sollte der Laib bereits gut gebräunt sein, kann man die Temperatur leicht reduzieren. Anschliessend den Römertopf aus dem Ofen nehmen und das Brot vorsichtig auf einen Gitterrost heben. Es sollte leicht hohl klingen, wenn man auf das Brot klopft – ein untrügliches Zeiten dafür, dass es gut durchgebacken ist. Vor dem Anschneiden unbedingt mindestens eine Stunde auf dem Rost auskühlen lassen, denn erst jetzt festigt sich die Struktur der Kruste. Das Brot hält sich in einem Brotsack oder Brottopf mehrere Tage, aber frisch schmeckt und riecht es eindeutig am besten.

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