Wenn mir etwas so richtig auf den Senkel geht, dann sind es intolerante Menschen. Intoleranz bedeutet gemäss Duden „die Haltung, dass man die anderen Meinungen und Lebensweisen anderer Menschen nicht gelten lässt.“ Leider ist dieses Phänomen weit verbreitet. Und es betrifft nicht nur politische oder religiöse Ansichten.
Auch die kulinarische Gesinnung ist je länger je mehr Zielscheibe von selbst ernannten Moralisten in unserer zunehmend polarisierenden Gesellschaft. Ganz nach dem Motto: Zeig mir, in welche Schublade ich Dich stecken kann, und ich sage dir, ob ich Dich liebe oder hasse.
Doch wenn Menschen nur noch dozieren, statt zuzuhören; wenn sie mit dem Finger zeigen, statt in den Spiegel zu schauen; wenn sie sich prügeln statt sich gegenseitig zu inspirieren, dann verkümmern sie auf Dauer. Schliesslich basiert unsere ganze Evolution darauf, Denkstrukturen aufzubrechen und das enge Korsett von geltenden Prägungen regelmässig abzustreifen, um uns weiterzuentwickeln und immer wieder dazuzulernen.
Schwarzweiss-Malerei hat in Ernährungsfragen System
In Ernährungsfragen scheint das besonders schwierig. Schwarzweiss-Malerei hat hier System. Schon mit dem Aufbringen des Themas an sich begibt man sich zielsicher sofort aufs Glatteis. Egal, ob man es schafft, darauf noch ein paar Pirouetten zu drehen, oder direkt auf die Schnauze fällt – eine Beule ist einem gewiss, denn anecken tut man sowieso.
Für viele Veganer sind Fleischesser Mörder. Den Frutariern jedoch sind die Veganer nicht konsequent genug. Ebenso wie die Frutarier den Rohköstlern. Die Karnivoren wiederum spotten, Veganer würden sich allen anderen moralisch überlegen fühlen. Dabei exponieren sich die Freeganer viel mehr, weil sie sich als foodpolitische Aktivisten mit ihrem Lebensstil der kapitalistischen Volkswirtschaft komplett verweigern in der Hoffnung, nachhaltig Veränderungen – z.Bsp. in Sachen Foodwaste, bei der Ausbeutung von Mensch und Tier oder dem allgemeinen Konsumwahn – bewirken zu können.
Warum Flexitarier das Zünglein an der Waage spielen
Ausschliesslich ums Tierwohl hingegen geht’s den Puddingvegetariern, womit sie automatisch ins Kreuzfeuer gesundheitlicher Bedenkenträger geraten. Derweil die Flexitarier ganz einfach ein bisschen auf allen Hochzeiten tanzen, damit sie nie ganz „anders“ sind und doch nicht Gefahr laufen, als normal (sprich: spiessig) abgestempelt zu werden. Sie leben im Bewusstsein, dass man sich aus ökonomischen und gesundheitlichen Gründen nachhaltiger ernähren und nicht täglich Fleisch verzehren muss, und spielen somit beim grössten kulinarischen Zankapfel, dem Fleischkonsum, eine Art Zünglein an der Waage.
Jeder fünfte Schweizer konsumiert kaum oder sehr wenig Fleisch
Gemäss einer aktuellen Umfrage im Auftrag von Swissveg verzichtet in der Schweiz jeder 12. komplett auf Fleisch. Weitere 17% der Bevölkerung, also immerhin fast jeder Fünfte, konsumieren sehr wenig oder kaum Fleisch. Viele Trendforscher sind sich einig, dass diese Zahlen weiterhin deutlich ansteigen werden und dem Flexitarier die Zukunft gehört.
Auch Ulrike Weiler, Dozentin am Institut für Nutztierwissenschaften an der Uni Hohenheim, sieht im Flexitarier eine wegweisende Leitfigur. In ihrem Buch Fleisch essen? Eine Aufklärung greift sie vielfältige Aspekte zum Thema auf und plädiert letztlich für die Losung: weniger Fleisch, dafür aber ausgezeichnetes. Sprich: solches also von älteren, nicht überzüchteten Rassen aus artgerechter Haltung in der Region.
Täglicher Fleischkonsum ist kein menschliches Grundrecht
Täglicher Fleischkonsum ist weder eine überlebenswichtige Notwendigkeit noch ein menschliches Grundrecht, schon gar nicht zu verheerend niedrigen Preisen. Dieser Ansicht ist auch der Verein „Sentience Politics“, der im Frühjahr 2018 eine Eidgenössische Initiative zur Abschaffung der Massentierhaltung lancieren will. Begründung: Das vom Handel projizierte Bild von idyllischen grasenden Kühen entspreche selten der Realität. Auch in der Schweiz sehen viele Tiere nie das Tageslicht, werden jedes Jahr 50 Millionen Nutztiere oft qualvoll gezüchtet, geschlachtet oder gleich nach der Geburt getötet – man bedenke allein das Vergasen sämtlicher männlicher Küken in der Eierindustrie.
Ein Brite will die Massentierhaltung innerhalb der nächsten 40 Jahre abschaffen
Der 59-jährige Brite Jeremy Coller („Menschen sind auch Tiere“) will die Massentierhaltung komplett ausrotten. Und zwar weltweit und innerhalb der nächsten 40 Jahre. Seine Strategie: Nicht aus moralischer Gesinnung argumentieren, sondern mit finanziellen Gesichtspunkten agieren.
Als einer der weltweit erfolgreichsten Vermögensverwalter gründete der begnadete Strippenzieher vor zwei Jahren die Initiative „Farm Animal Investment Risk and Return“ (FAIRR) mit der Absicht, grosse Investoren über die Risiken aufzuklären, welche die Massentierhaltung für die Rendite bergen.
Unternehmen werden vor die Wahl gestellt: Umdenken oder Kapitalentzug
Inzwischen ist das Netzwerk bereits auf 70 weiteren Vermögensverwaltern und ein Gesamtkapital von weltweit mehr als 1.8 Billionen Euro angewachsen. Nicht nachhaltige Unternehmen, in deren Aktien oder Anleihen Geld angelegt wurde, sollen vor die Wahl gestellt werden: Umdenken oder Kapitalentzug. Ausserdem werden die diesbezüglichen Anstrengungen einzelner Firmen in einem jährlich erscheinenden Bericht bewertet und veröffentlicht.
Aldi und Lidl schneiden viel schlechter ab im Vergleich zu Coop und Migros
Im Gegensatz zu den weit abgeschlagenen Aldi oder Lidl befinden sich Coop und Migros im Firmenranking übrigens unter den 6 führenden von 99 weltweit analysierten Unternehmen. Viele ihrer grossen Zulieferer wie z.Bsp. Nestle, Kraft, Unilever, Barilla oder Ferrero haben jedoch noch eine lange Liste an Hausaufgaben zu erledigen.
Für Coller birgt die wachsende Nachfrage nach tierischen Proteinen und einer damit verbundenen übermässigen Abhängigkeit von der Massentierhaltung eine ernsthafte, grosse Gefahr für eine finanzielle, soziale und ökologische Krise. Nicht nur aufgrund fragwürdiger Ethik und signifikanten Umweltschäden durch die Tierfutterproduktion. So sieht er wegen des flächendeckenden Missbrauchs von Antibiotika auch die öffentliche Gesundheit gefährdet durch mögliche Pandemien und vor allem das verstärkte Aufkommen von antibiotikaresistenten Bakterien.
Der Markt für pflanzenbasierte Proteine verspricht 8.4% jährliche Wachstumsrate
Coller, selbst seit 40 Jahren Vegetarier, rät finanzkräftigen Investoren deshalb, statt auf die Fleischproduktion auf Alternativen zu tierischen Produkten zu setzen. Dem Markt für pflanzenbasierte Proteine aus Gemüse, Getreide, Nüssen oder Algen wird für die kommenden fünf Jahre eine jährliche Wachstumsrate von 8.4 Prozent prophezeit.
Auch das kalifornische Silicon Valley ist längst auf den Zug aufgesprungen. Hier basteln Biochemiker und Gentechniker in zahlreichen Startups mit viel Kapital an verheissungsvollen, neuen Fleischersatz-Produkten u.a. aus pflanzlichen Grundstoffen wie Soja oder Erbsen, die nicht nur so schmecken sollen wie Fleisch, sondern sogar den entsprechenden Geruch und die gleiche Textur mit sich bringen.
Wenn der grösste amerikanische Fleischverarbeiter plötzlich in ein pflanzliches Unternehmen investiert
Erste Erfolge liessen bereits aufhorchen: Ende vergangenen Jahres ging ein grosses Raunen durch die Wallstreet, als bekannt wurde, dass der grösste amerikanische Fleischverarbeiter, Tyson Foods, eine Beteiligung am kalifornischen Startup „Beyond Meat“ erworben hatte. Noch nie zuvor hatte ein großer traditioneller Fleischproduzent in ein pflanzliches Unternehmen investiert.
Niemand konnte glauben, wie unglaublich lecker dieser Burger schmeckt
Mit „Beyond Burger“ brachte „Beyond Meat“ einige Monate zuvor ein erstes erfolgreiches Produkt auf den Markt: Einen Burger, der brutzelt und blutet wie echtes Fleisch, jedoch zu 100% aus pflanzlichen Fasern besteht und Genuss ohne Transfette, Cholesterol, Gluten, Milchprodukte oder GMO’s verspricht – und offenbar hält. Ein Journalist von www.eater.com schrieb dazu im vergangenen Jahr: „Als unsere Redaktion das Endprodukt erstmals kostete, verstummte die ganze Küche. Niemand konnte glauben, wie unglaublich lecker und saftig dieser Burger schmeckt.“
Probiert habe ich selbst bisher weder diesen noch den von Coop neu lancierten Insektenburger – ich habe ihn leider noch nie im Regal angetroffen. Noch gönne ich mir selten ein Stück Filetsteak von unserem Dorfmetzger, der sich damit rühmt, all seine Lieferanten und ihre Bauernhöfe persönlich zu kennen. Gemüse gibt es bei uns jeden Tag, Fleisch schon lange nicht mehr. Bis ich selbst eines Tages gänzlich „Beyond Meat“ sein werde, gestatte ich mir ein bisschen Hedonismus. Ich kann es mit meinem Gewissen vereinbaren, akzeptiere aber, wenn jemand anderer Meinung ist. Ich will ja nicht intolerant sein.
Rezept Filetsteaks (für 2 Personen als Hauptspeise):
- 2 Filetsteaks von ca. 180 g aus nachhaltiger, tierfreundlicher Produktion
- 3-4 EL Sojasauce oder Tamari
- ca 30 g. Kokosbutter zum Anbraten
- ca. 30 g Butter
- Meersalz
- schwarzer Pfeffer
Zubereitung:
Den Backofen auf 150 Grad vorheizen. Eine kleine Gratinform oder ein Blech bereitstellen. Das Fleisch aus dem Kühlschrank nehmen und mit der Sojasauce übergiessen, resp. darin wenden. Ca. 60 Minuten bei Raumtemperatur stehen lassen.
Die Filetsteaks aus der Sojasauce nehmen und mit einem Haushaltpapier trocken tupfen.
Eine hitzebeständige Pfanne bis zum Rauchpunkt (!!) erhitzen. Die Kokosbutter darin schmelzen lassen. Die Steaks zum Anbraten in die rauchende Pfanne legen und die Temperatur leicht reduzieren. Das Fleisch erst wenden, wenn die erste Seite kräftig angebraten ist, resp. sich ohne zu kleben gut vom Pfannenboden lösen lässt. Das erfordert ein bisschen Mut und Geduld.
Sobald die zweite Seite ebenfalls gut angebraten ist (im Schnitt dauert das knapp zwei Minuten pro Seite), die Butter in die Pfanne geben und diese relativ rasch vom Herd ziehen, damit die Butter nicht verbrennt. Das Fleisch in die vorbereitete Gratinform legen, mit der flüssigen Butter übergiessen, gut salzen und pfeffern und in den vorgeheizten Ofen stellen. Einen Küchenwecker stellen oder auf die Uhr achten!!
Nach ziemlich genau zwölf Minuten sind die Steaks gleichmässig gar, aussen kross und innen noch leicht blutig, also saignant oder medium rare. Wer das Fleisch lieber medium oder well done bevorzugt, lässt es entsprechend ein paar Minuten länger im Ofen.
Sofort auf (idealerweise) vorgewärmten Tellern anrichten. Selbst gemachtes Chimichurri und Gemüse dazu servieren.
Die Zubereitungsart stammt ursprünglich von Peter Brunner. Ich habe sie leicht abgeändert.
Rezept Chimichurri:
- 1 Handvoll glatte Petersilie, klein gehackt
- 1 Handvoll Kräuter (Thymian, Rosmarin und 1-2 frische Lorbeerblätter), klein gehackt
- 1 Schalotte oder eine halbe süsse Zwiebel, fein gehackt
- 1 EL schwarzer Pfeffer, ganze Körner
- 1-2 Pfefferschoten, klein gehackt
- 3 TL Dijonsenf
- 2 EL Aceto Balsamico
- 1 dl hochwertiges, kaltgepresstes Olivenöl
- wenig Cayennepfeffer
- Salz
- Pfeffer
Zubereitung:
Alle Zutaten in einem Schälchen gut vermischen. Mit Salz und frisch gemahlenem Pfeffer abschmecken.
Rezept Ganze Ofenkarotten (für ein ganzes Backblech):
- Ca. 20 bunte Karotten, geschält, vom Grün befreit und längs halbiert
- 2-3 EL hochwertiges, kaltgepresstes Olivenöl
- 2 EL Aceto Balsamico
- 1-2 EL Ahornsirup
- 2-4 Knoblauchzehen, gepresst (je nach Gusto)
- 2-3 EL Sesam
- Salz
- frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
- Backpapier und wenig Alufolie
Zubereitung:
Den Ofen auf 200 Grad vorheizen.
Backpapier auf einem Backblech auslegen und die Karotten kunterbunt darauf anordnen.
Das Olivenöl, den Balsamico, den Ahornsirup, den Knoblauch, das Salz und den Pfeffer gut vermischen, mit einem Pinsel gleichmässig auf den Karotten verteilen. Sesam drüber streuen.
Die Karotten mit eine Stück Alufolie bedecken und in den Ofen schieben. Nach ca 25 Minuten die Alufolie entfernen und die Karotten weitere 20-30 Minuten zu Ende backen, bis sie gar sind. Entweder in einer vorgewärmten Schale anrichten und auf den Tisch stellen oder direkt portionenweise auf den Tellern verteilen.
Wer nur ein Ofen in der Küche hat, bereitet die Karotten vor und hält diese in einer Wärmeschublade warm, während das Filet im Ofen brät.
Wer das Gemüse etwas pikanter bevorzugt, streut mit dem Sesam noch ein bisschen getrocknete Chillies oder Jalapenos drüber.
Tipp: Nicht nur Karotten, sondern auch Kartoffeln, Süsskartoffeln, Randen, grüne Spargeln, Knollensellerie oder Pastinaken können so scheibchen- oder stückchenweise ofengegart und immer wieder aufs Neue bestückt und gewürzt werden. Mal süsser, mal pikanter, Hauptsache: Nur Mut!
Viel Spass beim Ausprobieren und guten Appetit