Was das Essen angeht, gibt es für mich kein sinnlicheres Land als Italien. Hier wird essen gelebt und zelebriert. Es ist Teil der Kultur. Und ja, sogar der Familie. Denn Familie ist Liebe, und Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Man geht kurz nach Sonnenaufgang auf den Markt, um die allerbesten, sonnengereiften, von Hand erlesenen Zutaten zu ergattern und widmet sich den Rest des Vormittags fast nur den Kochtöpfen, damit der verlockende Duft aus der Küche rechtzeitig zum Mittagessen alle am Esstisch zusammentrommelt.
Rezepte werden wie Kronjuwelen gehütet und von Generation zu Generation weitergegeben. Und immer, wenn einem mal die Ehre zu teil wird, Gast zu sein, dann hat man das Gefühl, noch nie im Leben so gut gegessen zu haben, was unweigerlich zur Frage führt:
Warum schmeckt es in Italien eigentlich so viel besser als bei uns?
Jahrelang kochte ich immer wieder neue Varianten der Bolognese, um hinter das Geheimnis des Geschmacks zu kommen. Aber was auch immer ich probierte, es fehlte das gewisse „Etwas“.
Die Nonna eines Bekannten gab mir schliesslich den entscheidenden Tip: Uns wurden bei der Überlieferung des Rezeptes entscheidende Zutaten einfach unterschlagen. Zum Beispiel die Hühnerleber. Die gehört zu einer echten italienischen Bolognese ebenso dazu wie der Bauchspeck vom Schwein und die Milch, von der in keinem mir bekanntem Kochbuch jemals die Rede war. Nächste Erkenntnis: Genauso wenig wie es ein gängiges Käse-Fondue-Rezept gibt, gibt es ein Bolognese Rezept. Ob Rind, Kalb oder Schwein hing früher einzig und allein von der Verfügbarkeit ab – und so entscheidet jede Hausfrau selbst, wie sie ihr Ragù am liebsten zubereitet.
Hühnerleber: eine Delikatesse mit viel Gehalt und das i-Tüpfelchen im Ragù
Ich bevorzuge eine Mischung aus Rind und Kalb. Wichtig ist, dass das Fleisch schön durchzogen ist, und vom Metzger frisch durch den Fleischwolf gedreht wurde. Viele Metzgereien hierzulande verkaufen keine Pancetta. Das macht nichts, man kann auch Culatello und Parmaschinken verwenden. Oder probieren Sie es gleich mal mit Luganighe, einer Wurstspezialität aus dem Tessin. Freunde von mir schwören darauf… Und nun zur Hühnerleber: Sie wird bei uns nur als Abfallprodukt beim Schlachten von Hühnern und Hähnchen angesehen. Dabei ist die Hühnerleber, wenn sie richtig zubereitet wird, eine Delikatesse mit viel Gehalt: Sie enthält viel Vitamin B12 und Folsäure – wichtig bei der Bildung von Blutkörperchen. Man kann sie aus hygienischen Gründen meist nur tiefgefroren kaufen. Entscheidend ist, dass man stets darauf achtet, dass die grünliche Gallenblase unversehrt entfernt wurde, da diese einen bitteren Geschmack verursachen kann. Dennoch ist Hühnerleber nicht jedermanns Sache, und man kann diese Zutat auch auf ein Minimum reduzieren oder ganz weglassen.
Einmal kochen, mehrfach essen: Reste aufwärmen und einfrieren
Arrigo Cipriani, Besitzer der legendären Harry’s Bar in Venedig, schrieb einst: „Jede italienische Hausfrau, die etwas auf sich gibt, beginnt bereits am frühen Morgen mit ihrem Ragù und lässt es mindestens 4 Stunden auf kleiner Flamme kochen… Man findet selten ein Restaurant, in dem ein gutes Ragù serviert wird, weil es eine lange Zubereitungszeit benötigt, aber innerhalb weniger Stunden gegessen werden muss.“ Der Aufwand lohnt sich aber. Sie werden mit diesem Rezept viele Komplimente ernten und können die Reste des Ragùs ausserdem problemlos portionenweise einfrieren, so dass Sie im Nu gleich noch ein bis zwei deliziöse Mahlzeiten auf den Tisch gezaubert haben.
Rezept original Ragù alla Bolognese:
- 25 g Butter
- 100 g Pancetta, Culatello oder Parmaschinken
- 400 g frisches Kalbshackfleisch (nur einmal durch den Wolf gedreht)
- 400 g frisches Rindshackfleisch (nur einmal durch den Wolf gedreht)
- 50 – 100 g Hühnerleber (ja nach Geschmack, kann man auch weglassen)
- 150 g Zwiebeln
- 150 g Stangensellerie
- 150 g Karotten
- 3 dl Kalbsfond
- 3-4 dl Vollmilch
- 2.5 dl Weisswein
- 1 Dose Pelati (geschälte Dosen-Tomaten)
- 2-3 EL Tomatenpüree
- 1 Lorbeerblatt
- Muskatnuss
- Meersalz
- Pfeffer
- Olivenöl
Zubereitung:
Zur Vorbereitung alle Zutaten aus dem Kühlschrank nehmen und in die Nähe des Herdes stellen. Die Milch, der Wein, der Fond und das Fleisch sollten bei der Verarbeitung nicht eiskalt sein. Zwiebel, Karotten, Stangensellerie und Pancetta von Hand fein hacken und in separaten Gefässen zur Seite stellen. Die Hühnerleber waschen und trocken tupfen. Wahrscheinlich hat der Metzger sie schon von der Haut befreit. Wenn nicht, die Haut abziehen und die Leber dann mit einem scharfen Messer (ohne sie zu zerquetschen ) fein schneiden, bis die Masse eine fast breiige Konsistenz hat.
In einem grossen Topf mit möglichst dickem Boden bei mittlerer Hitze die Butter schmelzen und darin die Zwiebel langsam andünsten, regelmässig umrühren. Wenn die Zwiebel nach einigen Minuten glasig geworden ist, erst den Stangensellerie
und nach einer weiteren Minute die Karotten hinzufügen. Das Gemüse nimmt jetzt unter ständigem Rühren den Saft der Zwiebel auf und entfaltet einen süsslichen Duft. Nun das Gemüse ein bisschen zur Seite schieben und die Pancetta unter ständigem Rühren andünsten; dann mit dem Gemüse vermengen.
Eine weite Pfanne mit einem Schuss Olivenöl auf höchster Stufe erhitzen. Wenn es schon fast dampft, die Hühnerleber hinzugeben und unter ständigemWenden ganz kurz anbraten. Sobald alle Teile die Farbe gewechselt haben, sofort direkt aus der Pfanne zum Gemüse geben, umrühren. Die Pfanne mit etwas Haushaltpapier kurz auswischen, wieder auf den Herd stellen und erneut mit einem Schuss Olivenöl auf höchster Stufe erhitzen. Sobald es dampft, einen Drittel des Hackfleisches unter ständigem Wenden bei grösstmöglicher Hitze anbraten. Es ist sehr wichtig, dass das Fleisch bei diesem Prozess in ständiger Bewegung bleibt und nicht auf dem Boden der Pfanne anhockt, damit kein Saft austritt. Sobald das Fleisch die Farbe gewechselt hat, zum Gemüse geben, und mit den restlichen beiden Dritteln der Fleischmenge genauso verfahren.
Wenn alle Zutaten angebraten und mit dem Gemüse vermengt im Kochtopf sind, die Temperatur ein bisschen höher schalten und das Tomatenpüree hinzugeben. Unter ständigem Rühren ca. 1 Minute anbraten, damit sich der Duft schön entfalten kann. Mit einem Drittel des Weissweins ablöschen. Dabei den Wein unbedingt nicht direkt über die Gemüse-Fleisch-Masse, sondern über eine Spalte am Rand in den Topf giessen, so dass sich die Zutaten erst vermischen, wenn der Wein schon Temperatur angenommen hat. Sobald der Wein verdampft ist, das nächste Drittel hinzufügen, und mit dem letzten Drittel ebenso verfahren. Erst wenn das letzte bisschen Wein komplett verdampft ist (und das merkt man nicht daran, dass keine Flüssigkeit mehr sichtbar ist, sondern daran, dass es nicht mehr nach Wein riecht) die Milch dazu giessen, und zwar ebenfalls in der oben erklärten „Risotto-Technik“ – also nicht alles auf einmal.
Nachdem genügend Flüssigkeit absorbiert wurde, so dass eine schöne Creme entstanden ist, die Pelati und einen Teil des Kalbsfonds in den Topf giessen. Salzen, pfeffern und eine grosszügige Menge frische Muskatnuss hinein reiben. Das Lorbeerblatt dazugeben, die Temperatur runter schalten und leise auf niedriger Flamme für einige Stunden köcheln lassen. Auf keinen Fall vergessen, regelmässig umzurühren, damit das Ragù nicht „anhockt“.
Wenn die Masse zu dick geworden sein sollte, einfach ein wenig Wasser nachschütten. Wer den Geschmack des Lorbeers nicht so mag, kann diesen übrigens auch weglassen oder für eine subtilere Note das Blatt bereits nach einer Stunde wieder entfernen. Am Ende der Kochzeit evtl. nochmal nachwürzen und direkt aus der Pfanne mit der Pasta vermengen. Das funktioniert so: Wenn die Pasta al Dente gekocht ist, abgiessen und dann gleich wieder zurück in den Topf schütten. Mit einer Kelle die gewünschte Menge Ragù dazugeben, gut umrühren und sofort in vorgewärmten, tiefen Tellern anrichten.
In Italien isst man Ragù übrigens niemals mit Spaghetti, sondern mit gelben Eiernudeln wie Tagliatelle, Taglierini (im Bild) oder aber mit Fusilli. Es scheiden sich auch die Geister, ob man Parmesan dazu serviert. Ich finde, ein bisschen frisch geriebener Parmesan rundet den Geschmack ab und gibt dem Gericht eine feine Note.
So…habe versucht, Dein Rezept nachzukochen…war aber zuwenig mutig und habe mich wieder auf das traditionelle Rezept (das mit den Luganighe) besonnen….
Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben…zudem habe ich herausgefunden, dass ich die Hühnerleber tatsächlich bestellen muss! Bin also jetzt vorbereitet!
Und noch zu guter letzt: Bei uns gibt es die Sauce hauptsächlich mit Spaghetti…wenn ich andere Teigwaren hinstelle ist die Gefahr gross, das diese Teigwaren von meinen Kindern „angefeindet“ werden…
In der Zubereitung steht, dass man das Tomatenmark anbraten soll, bei den Zutaten ist aber von Tomatenmark nicht die Rede, sondern von 2-3 EL Tomatenpüree. Ist das damit gemeint? Und sind mit Pelati die geschälten Dosen-Tomaten gemeint?
Liebe Colette, ja, mit dem Tomatenmark ist das Tomatenpüree gemeint und mit den Pelati die geschälten Dosen-Tomaten. Entschuldige bitte die Konfusion. Ich habe das im Rezept gleicht geändert. Viel Spass beim Kochen und guten Appetit! Für Anregungen und Feedback bin ich immer sehr dankbar! Herzlich, Sandra
……. genauso zubereitet wie oben beschrieben incl. Hühnerleber; es war unfassbar lecker und meine Kinder lieben es.
Danke für dieses wunderbare Rezept.
Das freut mich sehr, lieber Carsten! Weiterhin viel Spass und gutes Gelingen!!