Vor kurzem titelte 20 Minuten: „Cerealien und Joghurt sind jetzt gesünder“. Auch Radio Energy informierte in den Hauptnachrichten, der Zuckeranteil bei Joghurts und Müsli sei in der Schweiz gesunken. Und Bundesrat Alain Berset verkündete, man sei endlich voll auf Kurs in den Bemühungen zur Zuckerreduktion im Namen der Volksgesundheit.
Wer diese Schlagzeilen las oder hörte, erhielt unzweifelhaft den Eindruck, man könne beim Frühstücken ab sofort wieder fast bedenkenlos zuschlagen.
Die Antwort lautet: leider nein. Zwar ist der Zuckeranteil in Schweizer Joghurts in den vergangenen zwei Jahren tatsächlich gesunken. Allerdings um durchschnittlich lediglich 3%.
In einem Becher Joghurt stecken noch immer 4 Würfelzucker
Übersetzt bedeutet dies: In einem normalen handelsüblichen Becher hat es jetzt gerade mal ein halbes Gramm weniger Zucker als vorher. Oder anders ausgedrückt: Mit einem einzigen Joghurt à 180 Gramm nimmt man in versteckter Form weiterhin deutlich mehr als 4 (!!!) ganze Würfelzucker zu sich.
Schweizer essen mehr als doppelt so viel Zucker als empfohlen
Dies wurde in der medialen Aufregung so leider nicht thematisiert, und ebenfalls nur am Rande der Umstand, dass in der Schweiz pro Kopf und Jahr im Schnitt ohnehin mehr als 40 Kilogramm Zucker vertilgt werden. Genauer gesagt 127 g pro Tag und mehr als das Doppelte der Menge, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO für tolerierbar hält.
Die jährlichen Folgekosten übermässigen Zuckerkonsums betragen 10 Milliarden Franken
Die direkten und indirekten Folgekosten schätzt das Bundesamt für Gesundheit auf jährlich zehn Milliarden Franken. Zwischen 2002 und 2012 haben sich die Ausgaben für Krankheiten oder Invalidität aufgrund von Übergewicht und Fettleibigkeit hierzulande verdreifacht.
Doch anstatt wie andere Nationen – zum Beispiel gerade erst Grossbritannien – klare Richtlinien in Form einer Zuckersteuer einzuführen, die bestimmte Produkte für Konsumenten finanziell unattraktiver machen, und gleichzeitig die Industrie zwingen, statt umsatzgetrieben gesundheitsbewusster zu produzieren, setzt der Bundesrat im Kampf gegen den Zucker auf das Prinzip der Freiwilligkeit.
Wenig unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Konsumenten
Dass man mit dieser Strategie nur in Milligramm-Schrittchen voran kommt, hindert die öffentliche Hand nicht daran, diese zu feiern, als handle es sich um Meilensteine. Und während Berset sich sein eigenes Kränzchen windet, lachen sich die Lebensmittelkonzerne ins Fäustchen. Offiziell werden sie gelobt für mehr unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Konsumenten. Hintenrum sind sie weiterhin um nichts anderes bemüht als darum, ihre eigenen Gewinne zu maximieren.
So bekundete Emmi-Chef Urs Riedener vor weniger als einem Monat in der Handelszeitung, er halte die ganze Diskussion über Zucker eh für tendenziös. Die Leute liessen sich nicht vorschreiben, wie viel Zucker sie essen sollen, und das sei auch gut so: „Wenn wir zu schnell zu viel Zucker rausnehmen, dann stimmt die Nachfrage nicht mehr… Der Konsument denkt leider selten: Super, das Produkt enthält weniger Zucker. Das kauf ich!“
Auch Nestle gibt zu, man gehe bei der Reduzierung des Zuckergehalts sehr vorsichtig vor, um zu vermeiden, dass sich die Konsumenten Alternativprodukten zuwenden.
Neue, zuckerreduzierte Produktformeln werden oft schlecht angenommen
Viele neue, zuckerreduzierte Produktformeln sind bisher auf wenig Akzeptanz gestossen. Indem uns die Lebensmittel-Industrie über Jahrzehnte im wahrsten Sinne des Wortes flächendeckend das Leben versüsste, hat sie nicht nur unsere Geschmacksknospen gekapert, sondern auch die damit verbundene Gehirn-Chemie zu ihren Gunsten manipuliert. Denn Zucker macht mehr als dick. Zucker macht auch süchtig, weil er wie Drogen für eine Erhöhung des Dopamin- und Serotoninspiegels sorgt und damit Glück vortäuscht.
Warum Zuckerkonsum ähnlich süchtig macht wie harte Drogen
In Versuchen mit Ratten litten die an Zucker gewöhnten Tiere unter extremen Entzugserscheinungen, als man ihnen die süsse Attraktion plötzlich vorenthielt. Kaum hatten sie wieder Zugriff darauf, frassen sie davon mehr als jemals zuvor. Gleichzeitig konnte nachgewiesen werden, dass sich die Gehirne der Ratten durch den verstärkten Zuckerkonsum bereits nach vier Wochen in einem ähnlichen Masse verändert hatten, wie dies nach dem Konsum harter Drogen der Fall ist.
Die vielen negativen Auswirkungen übermässigen Zuckerkonsums
Zucker beeinträchtigt zudem auch die Darmflora und schwächt damit das Immunsystem. Er greift die Zähne an, indem er Karies verursacht. Er fördert die Entstehung von Herzerkrankungen, Diabetes und Krebs. Er kann sowohl hyperaktiv als auch depressiv machen, Angstzustände auslösen, Schlafstörungen verursachen und neben Übergewicht auch unreine Haut und Akne begünstigen.
Unter welchen anderen Namen versteckter Zucker in Lebensmitteln deklariert wird
Die einzige Möglichkeit, sich vor übermässigem Konsum besser zu schützen und negative Konsequenzen langfristig zu vermeiden, ist diejenige, keine Fertig-Produkte mehr zu kaufen oder besser auf das Kleingedruckte auf den Verpackungen zu achten. Leider lauern da viele Stolperfallen. Denn Zucker wird nicht nur als Zucker deklariert. Er versteckt sich u.a. auch hinter Begriffen wie Saccharose, Glukose, Dextrose, Fruktose, Maltose, Laktose, Maissirup, Stärkesirup, Agavendicksaft oder Birnendicksaft.
Wer sich zuckerarm ernähren will, muss fast schon detektivisch vorgehen. Die Stiftung für Konsumentenschutz kritisiert, dass viele Schweizer Hersteller Zucker in der obligatorischen Zutatenliste zwar ausweisen, nicht aber die Menge in der Nährwert-Tabelle. Hier hat es der Bundesrat im vergangenen Jahr verpasst, entsprechende Gesetzesvorlagen gegenüber den aggressiven Lobbyisten der Industrie durchzusetzen.
Die endlos lange Liste an Lebensmitteln mit verstecktem Zucker
Schliesslich versteckt sich Zucker in einer endlos langen Reihe alltäglicher und für viele scheinbar unabdingbarer Produkte wie z.Bsp. Schokolade, Bonbons, Schokoriegel, Milchschnitten, Konfitüre, Nutella, Kekse, Kuchen, gesüssten Getränken, Fruchtsäften, fertigen Müslis, Frühstücksflocken, Crunchy’s, Crispies, Yoghurts oder anderen gesüssten Milchprodukten, Tiefkühlpizza, Zwieback, Eis, Fertigsuppen, Senf, Hipster-Kaffeegetränken, Pasta-Saucen, Würsten, industriellen Smoothies, fertigem Sauerkraut oder Rotkohl aus der Tüte, Ketchup (enthält bis zu 1.5 Würfelzucker pro Esslöffel) und auch in leicht verfügbaren Kohlenhydraten wie Pasta und Brot (die sich im Blut ebenfalls sofort in Zucker umwandeln und damit den Blutzuckerspiegel genauso negativ beeinflussen).
Zuckersucht beenden – ein paar Buchempfehlungen
Weil diese Aussichten den meisten Konsumenten wohl ziemlich düster erscheinen, und sich das Unterfangen einer zuckerfreien oder weniger zuckerreichen Ernährung auch dann nicht einfach gestaltet, wenn man es mit bestem Willen angeht, schiessen entsprechende literarische Begleit-Erzeugnisse wie Pilze aus dem Boden – einige seien an dieser Stelle aufgezählt:
„Ausgezuckert: Wie du vom Zucker loskommst“
„Frei von Zuckersucht – Ein 10-Schritte-Programm“
Ich persönlich halte es mit dem Zucker genauso wie mit dem Alkohol, dem Salz- und dem Fettkonsum: er ist nicht tabu, aber ich achte auf einen massvollen Umgang und vermeide generell wenn immer möglich industriell hergestellte Produkte. Somit bin ich, zumindest was die versteckten Zuckerfallen angeht, auf der sicheren Seite. Beim häufigen Auswärtsessen gestaltet sich dies natürlich etwas schwieriger, denn auch da ist oft mehr drin als draufsteht…
Ein Dessert ohne raffinierten Zucker, das auch bekennende Naschkasten lieben
Obwohl meine Geschmacksnerven die süssen Noten durch den mehrheitlichen Verzicht auf Zucker längst nicht mehr so attraktiv finden wie in früheren Jahren, möchte auch ich auf ein gelegentliches Dessert nicht verzichten.
In letzter Zeit habe ich öfter dieses wirklich wundervolle Rezept von Foolproofliving zubereitet (und nach eigenem Gusto ein bisschen abgeändert). Es kommt ganz ohne raffinierten Zucker aus und schmeckt dennoch ausgesprochen süss und köstlich. Bisher jedenfalls waren alle, die es probierten, begeistert. Auch bekennende Naschkatzen.
Cranberries enthalten überdies ausserordentlich viel Vitamin C, ausserdem die Vitamine B, E und K und zahlreiche Mineralstoffe z.Bsp. Eisen, Magnesium, Kalzium und Kalium.
Viel Spass beim Ausprobieren und guten Appetit!
Rezept Pochierte Birnen mit Cranberries und Mascarpone (für 4 Personen)
- 4 saftige, reife Birnen, geschält
- 2 Handvoll frische Cranberries (alternativ Preiselbeeren oder entsteinte Kirschen)
- 1 l Bio-Apfelsaft
- 1-2 Stangen Zimt
- ein paar Zweige frischer Rosmarin
- 2-3 EL flüssiger Honig
- ein Schuss Williams (optional)
- 1 Handvoll geschälte Haselnüsse, grob gehackt und evtl. kurz angeröstet
- 1 Becher Mascarpone
- 1 Prise Zimt
Lege die mit einem Sparschäler vorsichtig geschälten Birnen, die Cranberries, die Zimtstangen und 1-2 Zweige Rosmarin in einen grossen Topf.
Übergiesse alles vorsichtig mit dem Apfelsaft, einem Schuss Williams und dem Honig. Sollten die Birnen noch nicht ganz mit Flüssigkeit bedeckt sein, gib eine entsprechende Menge Wasser hinzu.
Bring die Flüssigkeit zum Kochen, schalte dann den Herd aber gleich auf mittlere Temperatur runter und lass alles zusammen für ca. 15-20 Minuten garen, bis die Birnen weich genug sind, dass man sie ganz leicht mit einem Messer einstechen kann. Ziehe dann den Topf vom Herd.
Verstreiche auf jedem Teller 2-3 Esslöffel Mascarpone, setze die Birnen auf die Mitte des Tellers, füge ein paar Cranberries und die gehackten Haselnüsse hinzu und giesse ein wenig vom Garsaft darüber. Dekoriere das fertig angerichtete Dessert mit einem frischen Zweig Rosmarin, einem Hauch Zimt und allenfalls noch mit ein paar weiteren Tropfen Honig.
Tipp: Koche die Birnen bereits am frühen Abend vor, wenn Du Gäste hast, und lasse sie dann bei Zimmertemperatur und im Garsaft bis zur Verwendung schwimmen. So hast Du nach dem Hauptgang in kürzester Zeit und mit ein paar wenigen Handgriffen ein grossartiges Dessert auf den Tisch gezaubert.